Zwischen Bildschirm und Blickkontakt

Zwischen Tablet und Tischgespräch: Warum Kinder echte Nähe mehr brauchen als neue Apps – besonders in der dunklen Jahreszeit.

Hier präsentieren wir unser Web-Tagebuch (Blog), in dem wir (versuchen ;) aktuelle Ereignisse aus unserem Schulalltag festzuhalten.

Da das gesamte Team hier mit unterschiedlichen Werkzeugen (Handys, Computer, …) von verschiedenen Orten (unterwegs, zu Hause, in der Schule, …) Artikel veröffentlicht, kann jeder Beitrag anders aussehen.

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Nach Denken

Wenn der Nachmittag früh ins Dunkel kippt, beginnen die stillen „Kämpfe“ vieler Familien. Da sitzt ein Kind, das eigentlich noch spielen will, aber der Regen gegen die Scheiben trommelt. Ein Tablet liegt bereit, und die Versuchung ist nah: bunte Figuren, schnelle Belohnung, eine kleine Pause für die Eltern. Niemand meint es böse – und doch beginnt genau hier die feine Verschiebung zwischen Zeit, die vergeht, und Zeit, die erfüllt.

Kinder, sagen Entwicklungspsycholog*innen, brauchen kein pausenloses Entertainment, sondern Resonanz. Der kanadische Pädagoge Gabor Maté spricht von „Verbindung als seelischem Grundnahrungsmittel“. Wenn der Blickkontakt zwischen Erwachsenen und Kindern häufiger von einem Display getrennt wird, verliert das Alltägliche etwas von seiner Wärme. Nicht sofort, aber schleichend. Das Lächeln wird kürzer, das Gespräch flacher, die Geduld dünner.

In der Schule spüren wir diese Veränderungen ebenfalls. Nach langen Bildschirm-Wochenenden sind Kinder oft stiller, zugleich unruhiger. Der Körper hat weniger Bewegung erfahren, das Denken mehr Reize als Erlebnisse. Deshalb achten wir besonders auf den Wechsel zwischen Konzentration und Bewegung – freies Lernen vor den Klassen, gemeinsames Singen, Zeit für Erzählrunden. In unserer Nachmittagsbetreuung sind diese Übergänge fast noch wichtiger: Das freie Spiel nach der Schule ist nicht bloß „Pause“, es ist die Bühne, auf der Kinder ihre Welt begreifen, ausprobieren, lachen, streiten, verhandeln.

Ein Kind, das nach einem Tag voller digitaler Bilder draußen Fangen spielt, tut weit mehr, als zu laufen. Es lernt soziale Absprachen, entwickelt räumliches Denken, trainiert Herz und Vorstellungskraft zugleich. Der Hirnforscher Gerald Hüther hat es so beschrieben: „Kinder entwickeln sich nicht, indem sie konsumieren, sondern indem sie gestalten.“ In diesen einfachen Momenten liegt jene Erfahrung, die kein Bildschirm nachbilden kann – das Gefühl, selbst wirksam zu sein.

Natürlich sind Medien kein Feind. Sie sind Teil unserer Lebenswelt, und auch Kinder dürfen staunen, lernen und lachen mit Geschichten auf dem Bildschirm. Entscheidend ist das Wie. Kinder brauchen Begleitung, keine Verbote. Ein Film wird zur gemeinsamen Erfahrung, wenn danach gesprochen, gestaunt oder gelacht wird. Ein Spiel verliert seinen Reiz, wenn man nur „Zeit begrenzt“, aber nicht versteht, was darin fasziniert. In vielen Familien hilft ein einfaches Ritual: Erst gemeinsam ankommen, reden, essen, spielen – dann Medienzeit. Der Bildschirm darf nicht der erste Trostspender sein, sondern ein bewusst gewählter Moment nach dem Leben.

In der Zeltgasse suchen wir genau diesen Gleichklang: Lernen, Spielen, Erzählen, Ruhen. Unsere Kinder erleben in der Schule und im Nachmittag nicht nur Unterricht, sondern Beziehungsräume. Wenn ein Kind sich im Gespräch mit einer Pädagogin öffnet, wenn es mit Freund*innen ein Theaterstück erfindet oder im Regen ein Regenwurmnest im Hochbeet entdeckt – dann passiert jene Bildung, die keine App ersetzen kann.

Manchmal, wenn die letzten Kinder am Nachmittag gemütlich auf den Stufen sitzen und Herbstblätter im Schulhof zusammensammeln, wird es ganz still. Nur das Rascheln des Laubs, das Atmen, ein leises Summen. In diesen Momenten zeigt sich, wie wertvoll echte Präsenz ist: Aufmerksamkeit, die nicht geteilt, sondern geschenkt wird.

Wer einmal erlebt hat, wie Kinder in gemeinsamer Zeit aufblühen, versteht: Es geht nicht darum, Medien zu verbannen, sondern darum, den Blick wieder anzuheben – vom Bildschirm ins Gesicht des anderen. Gerade jetzt, wo das Licht draußen weniger wird, brauchen Kinder umso mehr das Licht im Miteinander.

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